„Ich würde gerne deine Meinung kennen, erkläre mir bitte wie du das gemeint hast, sag mir doch warum du das getan hast, weshalb stellst du mich so dar als würde ich was falsch verstehen, blablabla…“
Ein Augenaufschlag, ein Blick, einmal hinschauen würde die Antwort liefern, ohne diese Erklärung, ohne diese Worte, ohne einen Menschen an die Wand zu stellen. Manchmal ist in der Stille mehr Antwort als in den falsch gewählten Worten. Wenn ich den Blick senke, dann möchte ich nicht den Blick der anderen streifen, ich mag nicht in ihre Augen sehen, nicht ihre kranken Seelen anschauen, oder ich möchte einfach nicht dass mich jemand lesen kann, nicht heute, nicht hier. Ich habe das Recht über mich, das Recht und die Wahl wann ich was tun und lassen möchte – nicht du, nicht ihr – ich!
Würde ich eine neue Welt erschaffen können, dann würde ich den Menschen die Sprache wegnehmen, ich würde sie dahin zurücksetzen wo sie ganz am Anfang waren, bei ihrer Geburt, beim ersten Atemzug den sie in dieser Welt vollbracht hatten – da war uns das Sehen, das Ertasten, das Fühlen noch vertraut, noch nah, wir konnten lesen ohne Buchstaben zu kennen – wir haben hingeschaut, gefühlt, angenommen – mit Aktionen eine Reaktion ausgelöst.
Heute, heute verwenden wir Worte, viel zu oft, viel zu leere Worte. Worte die keine Bedeutung haben, dennoch schmerzhaft sind, nicht mehr ausradiert werden können, nie mehr, diese Spuren sind da, sie bleiben, hinterlassen Wunden und Narben.
Mit leeren Worten wie „Verzeih mir, ich wollte das so nicht…“ bitten wir auch noch den verletzten Menschen darum, darüber stehen zu können – aber warum denn, wir verletzen ja so oder so wieder. Ein „sorry, tut mir leid…“ ist wohl so schnell ausgesprochen wie leere Sätze, leere Zeilen, nichts aussagende Blicke.
Lasst uns einmal hinsetzen, am Bahnhofplatz zum Beispiel, gemeinsam in Stille. Menschen beobachten, nicht hören macht die Ohren zu, schweigt und schaut! Was seht ihr, was fühlt ihr, was empfindet ihr…
Es ist wie ein grausamer Horror-Thriller, Blicke verwandeln sich in Messer, jeder 2te Sticht zu, bricht zusammen, der Messerstecher streckt dem verwundeten nun seine Hand hin, schaut ihn an, sagt:
Verzeih mir, ich wollte das so nicht…
…der verwundete nimmt seine Hand, steht auf, etwas schwankend auf den Beinen, aber er steht, er versucht seinen Schmerz, die Stichwunde, direkt unterhalb des Herzens zu unterdrücken, zu verstecken – schliesslich hat er dem Messerstecher die Hand gereicht, somit seine Entschuldigung angenommen. Aber warum eigentlich, dieser Mensch hat ihn niedergestochen, ich nehme seine Hand um mich wieder hinstellen zu können – warum, damit er wieder zustechen kann? Und er wird es tun, ganz bestimmt, weil er keinen Grund braucht Schmerz zu verbreiten…
Ein schrecklicher Tag, ein schreckliches Gefühl hier zu sitzen – findet ihr – aber so ist er, jeder einzelne Tag der beginnt, jeder einzelne Moment im Leben der vorüberzieht hinterlässt seine Spuren, oder habt ihr euch noch nie für etwas entschuldigt dass ihr dann genauso wieder getan habt?
Ich wünschte, ich hätte diese Gabe nicht, das lesen zu können was andere nicht sehen, nicht fühlen, nicht empfinden – ich wünschte ich würde einfach die Norm ausmachen, aufstehen, weitergehen – Hand im Hand mit dem einen Messerstecher, mit der einen mit leeren Worten gefüllten Entschuldigung, einfach so als wäre jeder Tag eine Wundertüte und ich könnte nicht sehen, nicht fühlen, nicht lesen wer als nächstes umfallen wird…
Ich wünschte, ich könnte diese Welt so gestalten dass das Leiden ein Ende nimmt, dass sich die Menschen mit Würde und Respekt begegnen und wenn sie das nicht können, sich einfach in Staub auflösen…
Ich springe, diese eine Klippe, immer und immer wieder, weitere Lemminge begleiten mich, denn sie sind die einzigen Wesen die aus Würde springen, mit dem Gedanken nicht mehr wiederkommen zu müssen…
Hell yeah!
Und ich wünsche mir, dass Worte wieder bedachter gewählt werden, dass einmal mehr im Leben nachgedacht wird, nicht aussprechen was weh tun könnte wenn man es nie wieder zurücknehmen kann – denn eine Entschuldigung wird niemals wieder ausradieren was Worte zuvor ausgelöst haben.
Lemmingsche Weisheiten